Von der Idee zur Bewegung: 15 Jahre Initiative für Ausbildung
Veröffentlicht am 17. März 2025

„Wenn man einen Entschluss gefasst hat, dann taucht man damit ein in eine gewaltige Strömung, die einen mit sich reißt, zu einem Ort, den man sich bei dem Entschluss niemals hätte träumen lassen.“ Paolo Coelho, der Alchimist
Es gab schon viele solche Entschlüsse in meinem Leben: im privaten Bereich mit einer 48-jährigen Partnerschaft und zwei Kindern. Im beruflichen Bereich mit meiner zweiten Firmengründung „Bühler Baum und Garten“, wo aus 5 Personen am Start heute 55 Mitarbeitende geworden sind. Und eben die Initiative für Ausbildung, die 2010 mit 36 Betrieben in der grünen Branche gestartet ist und heute branchenübergreifend über 100 Partner umfasst.
Betriebe suchen gute Azubis – Azubis suchen gute Betriebe!
Was können wir aus betrieblicher Sicht tun, damit wir im Laufe der Ausbildung nur wenige oder gar keine Ausbildungsabbrüche haben und ein Scheitern in der Prüfung vermeiden? Wie können wir möglichst viele Auszubildende nach der Ausbildung übernehmen? Wir können es uns nicht leisten, den Prozess der Ausbildung so zu gestalten, dass auf dem Weg zur fertigen Fachkraft mehr als die Hälfte der Nachwuchskräfte verloren geht.
Die zukünftigen Auszubildenden wünschen sich eine gute Ausbildung, in der sie wirklich was lernen können, anständig behandelt werden, danach eine kompetente Fachkraft sind, die Freude hat am Beruf und ein gutes Einkommen erzielen kann. Das funktioniert nicht oder nur unzureichend in einem Ausbildungsbetrieb, der nicht fördert, sondern nur zum Schaufeln oder Unkrauten braucht und keine Perspektive bietet.
Die Idee: 12 Qualitätskriterien für eine gute betriebliche Ausbildung
Im Jahr 2009 war ich bereits 25 Jahre selbständig, hatte schon gute Ausbildungserfolge erzielt und meinen ersten TASPO AWARD als Ausbildungsbetrieb des Jahres im Regal stehen. Vor den Berufen Landschaftsgärtner und Fachagrarwirt Baumpflege hatte ich Sozialpädagogik studiert und deswegen einen eigenen, fachlichen Blick auf die Thematik: Genauso wie es möglich ist, die 5 Schritte zu einer erfolgreichen Baumpflanzung aufzuschreiben und dann auch umzusetzen, ist es auch möglich, 12 Kriterien aufzustellen, die zu einer guten, erfolgreichen Ausbildung gehören und im Ergebnis mit sehr hoher Sicherheit zum Ziel führen.
Employer branding – Blick nach innen und nach außen
Mit war immer klar, bei der Lösung des Problems braucht es den Blick nach innen auf die Ausbildungsqualität und ebenso nach außen auf die Zielgruppe, die man mit dem Bewerbermarketing erreichen möchte. Das ist der Ansatz von Employer Branding – dem Aufbau einer Arbeitgebermarke. Mache den Job nach innen richtig gut, zeige transparent und nachvollziehbar, wie du die Auszubildenden und die Mitarbeitenden förderst und gute Entwicklung ermöglichst. Genau das muss dann auch im Auftritt nach außen, in der Marke sichtbar werden.
Die 12 Kriterien – der Qualitätsstandard der Initiative für Ausbildung
Die Kriterien waren schnell gefunden und aufgeschrieben. Sie folgen einer inneren Systematik mit den Bedürfnis-Bausteinen Sicherheit, Vertrauen, Team, Herausforderung und Entwicklung. Im Einzelnen war – bis auf das schriftliche Feedback für die Auszubildenden – nichts dabei, was neu erfunden werden musste. Die Innovationsleistung lag darin, eine innere Systematik aufzubauen, die eine fundierte wissenschaftliche Grundlage hat und zugleich durch Einfachheit und Verständlichkeit überzeugt. Es gab Beispiele, die mich inspiriert haben: TAG Top Ausbildung im Gartenbau, TAN Top Ausbildung im Netzwerk von Netzwerk Gärten und Personen, mit denen ich die Entwürfe besprochen habe, wie Jochen Thomann, Landschaftsgärtnerkollege aus Bitz, der sofort sagte: „Albrecht, finde ich gut. Ich bin dabei!“
Der gelungene Start in 2010: Gründung der Initiative für Ausbildung mit 36 Betrieben
Wie im Zitat von Paulo Coelho eingangs beschrieben: du springst ins Wasser und hast keine Ahnung, wo du am Ende rauskommst. Mir war klar, dass das eine Idee ist, die groß werden kann. Fachkräfte- und Azubimangel war schon lange absehbar. Gute Ausbildung als Marke kann funktionieren, wenn man eine daraus macht. Sehr hilfreich war meine große Vernetzung in der Branche und meine Glaubwürdigkeit als ausgezeichneter Ausbildungsbetrieb. Zwischen 2006 und 2010 hatte ich als Unternehmen und auch meine Azubis beim Landschaftsgärtner Cup schon gute Erfolge erzielt und etliche Preise zum Thema Ausbildung abgeräumt.
Nach innen gut sein und nach außen Vollgas geben, heißt die Devise! Im September rief ich meine Marketingagentur Tatendrang mit Tanja Mensen und Patrick Prager an und gab ihnen sechs Wochen Zeit, um ein Siegel und das komplette Design zu entwickeln. Am 1.12.2009 war die Pressekonferenz in Nürtingen. Bereits im März 2010 konnten wir zur Auftaktveranstaltung mit 36 teilnehmenden Unternehmen einladen. Vertrauen spielt hier eine große Rolle, aber auch die Lust bei etwas Neuem dabei zu sein, nicht abseits zu stehen, keine Chance zu verpassen. Tatsächlich sind bis heute, 15 Jahre später, noch die Hälfte der Gründungsmitglieder dabei, wofür ich sehr dankbar bin.
Die Ausbilderworkshops als zentrale Schulung für zentrale Personen im Ausbildungsbetrieb
Eine klare Ausrichtung der Initiative lautet: wir arbeiten mit den Ausbilderinnen und Ausbildern. Auf die kommt es an. Sie müssen geschult und gestärkt werden, sie sollen sich vernetzen und gute Ideen austauschen können. Somit begannen wir im selben Jahr mit den zweitägigen Ausbilderworkshops, die anfangs alle in Großbettlingen in Süddeutschland stattfanden. Mit der Zeit mussten wir die Gruppe aufteilen und zwei Termine anbieten. Irgendwann meinten dann die zahlreichen Teilnehmenden aus Niedersachsen, es würde sich lohen, ein Angebot auch dorthin zu verlegen. Heute finden die Workshops jedes Jahr im Februar an zwei Orten mit insgesamt 50 engagierten Ausbilderinnen und Ausbildern statt, die mit wertvollen Impulsen, ermutigt und inspiriert für ihre Ausbildungsarbeit wieder nach Hause fahren.
Der Unternehmenstag auf der Mainau – Weiterbildung für Führungskräfte
Die zweite Veranstaltungsreihe, die nach den beiden Auftaktveranstaltungen SÜD und NORD 2010 folgte, war der Unternehmenstag. Hier liegt die Zielgruppe stärker bei den Führungskräften und Geschäftsführenden. Voraussetzung für einen TOP Ausbildungsbetrieb ist, dass auch die Person, die vorne steht das Projekt zur Chefsache macht und die Ressourcen dafür bereitstellt. Somit folgten bereits Veranstaltung Nr. 3 und 4 pro Jahr mit den Unternehmenstagen NORD und SÜD. Für das Jahr 2015 – unser 5-jähriges Jubiläum – habe ich „einen zentralen Ort in Deutschland, wo jeder gerne hinfährt“ gesucht. Meine Wahl fiel auf die Insel Mainau im Bodensee, auch wenn das erste der beiden Kriterien nicht so ganz erfüllt werden konnte. Es kamen 120 Personen, die von der Insel und dem inhaltlichen Angebot begeistert waren. Jeder wollte dabei sein. 2025 laden wir zum 6. Mal auf die Mainau ein, wo nun alle zwei Jahre diese eintägige Veranstaltung stattfindet und bei den Teilnehmenden nach wie vor große Begeisterung auslöst.
Die Initiative für Ausbildung gewann vier Preise
Zwei große Meilensteine gelangen gleich zu Beginn des Weges. Bereits im ersten Jahr, 2010 traten wir als „Kooperation des Jahres“ bei den TASPO AWARDS an, einem Wettbewerb in der Grünen Branche. Rund 30 Personen aus mehreren Betrieben waren mit nach Berlin gereist. Tatsächlich hatten wir die Jury überzeugt und konnten den Preis im ersten Anlauf abräumen. Ein Erfolg, den wir vier Jahre später an gleicher Stelle sogar wiederholen konnten. Mindestens genauso wichtig war der Erfolg und die Anerkennung durch den Gewinn des Hermann-Schmidt-Preises „Unternehmerinitiative für bessere Ausbildung” ein Jahr später im September 2011. Dieser Preis wird vom Bundesinstitut für Berufsbildung vergeben und ist die höchste denkbare Auszeichnung für unser Konzept von der Institution des Bundes, die die gesamte Ausbildung in Deutschland überwacht und steuert.
Neuausrichtung: Die Initiative für Ausbildung ist offen für alle Betriebe
In den ersten Jahren war die Initiative voll auf den Grünen Bereich ausgerichtet, die Unternehmen kamen alle aus dem Garten- und Landschaftsbau sowie aus der Baumpflege. „Top Ausbildungsbetriebe Landschaftsgärtner“ stand auch auf dem ersten Siegel. Bald wollten andere Branchen ebenfalls partizipieren und so entstanden – immer durch konkrete Ansprechpartner und Vorzeigebetriebe initiiert – die Bereiche Altenpflege, Friseure, SHK – Sanitär Heizung Klima und Bauhandwerk. Besonders stark entwickelte sich der Bereich der Pflegeberufe, der bis heute eine eigene Abteilung einnimmt mit jährlichen, sehr gut besuchten Workshops für die Praxisanleiter:innen. Im Jahr 2023 haben wir uns dann für einen neuen Ansatz entschieden, das Siegel überarbeitet und die Branchenorientierung aufgehoben. Damit sind wir nun offen für alle Unternehmen – egal aus welcher Branche.
Weniger Fachkräftemangel durch die Umsetzung des ganzheitlichen Konzepts
Zu Beginn fanden das etliche Stimmen unerhört, dass da jetzt einer aufsteht, 12 Kriterien auf den Tisch legt und Betriebe als TOP Ausbildungsbetrieb zertifiziert. Von einer Führungsperson der Branche bekam ich zu hören, die 12 Kriterien, das sei doch „eh klar“ und somit entbehrlich. Über die Zeit – und jetzt nach 15 Jahren kann ich sagen, dass das Konzept durchaus Respekt und Anerkennung gefunden hat. Unsere 12 Kriterien sind jetzt „state of the art“ also die Art und Weise, wie man es eigentlich machen sollte, wenn man es richtig machen möchte. Für die teilnehmenden Betriebe, auch für diejenigen, die vorher schon vorne mit dabei waren und gut ausgebildet haben, hat es viel gebracht. Ein klares Konzept, eine Road Map, ein Geländer an dem entlang eine langfristige erfolgreiche Arbeit passiert.
Wir lösen damit ein echtes, zentrales Problem: den Fachkräftemangel in unseren Betrieben! Es gibt viel weniger Ausbildungsabbrüche, enorm weniger nichtbestandene Prüfungen, sehr viele Azubis bleiben danach im Ausbildungsbetrieb und durch den Marketingeffekt nach außen können auch wesentlich mehr gute Bewerbungen generiert werden.
Darauf bin ich stolz und es erfüllt mich mit Freude: Unternehmen sind vorangekommen, Menschen wurden gut ausgebildet und auch die grüne Branche, die meine Homebase ist, ist in der Gesamtheit durch gutes Beispiel vieler Unternehmen der IFA auch ein Stück nach vorne gerückt. So viel Gutes hätte ich mir beim ersten Sprung ins Wasser, in den reißenden Fluss, nicht träumen lassen.
Menschen hinter der Initiative für Ausbildung
Jochen Thomann, als ersten Weggefährten, Tanja Mensen und Patrick Prager im Design hatte ich schon erwähnt. Von 2015 bis 2020 hat Christine Görzen das Projekt mit mir geleitet und vorangebracht. Seit 2023 habe ich die Freude, mit Susanne Preuß eine neue Wegbegleiterin und ab 2027 auch Nachfolgerin gefunden zu haben, die von Simone Hummel im Design unterstützt wird. Es ist überaus beglückend, dass dieser Weg weitergeht, auf eine neue Basis gestellt ist und das Abenteuer weiter gehen kann. Gute Ausbildung ist immer die richtige Entscheidung. Deshalb bin ich sicher, dass noch sehr viele Unternehmen diesen Weg einschlagen werden.
Ihr Albrecht Bühler, 13.02.2025