Mitarbeiter(-ver)bindung

Veröffentlicht am 4. September 2024

“Wer Mitarbeitende sucht, sollte sich als Erstes um die Bindung kümmern“

Es braucht Bindung und Recruiting. Doch ohne Bindung lohnen sich die Ausgaben fürs Recruiting nicht. Daher gilt das Motto: „Mitarbeiterbindung first, Recruiting second“, so der Jugendforscher und Arbeitgebercoach Simon Schnetzer.

Ok, verstanden: Ich soll als Unternehmensleitung, Geschäftsführung in Mitarbeiterbindung investieren. Und wie geht das? Welche Maßnahmen gibt es und wie packe ich das an?

Zuerst: Ich möchte ungern von Mitarbeiterbindung sprechen. Bindung klingt wie Fesseln. Und wir wollen unsere Mitarbeitenden nicht an einen Stuhl binden, damit sie niemals woanders hingehen. Wir wollen Verbindung schaffen. Verbundenheit. Wir wollen ein Magnet für Mitarbeitende sein, kein Fesselunternehmen.

Ok, kapiert. Und nun? Wie schaffe ich das mit der Verbundenheit?

Menschen fühlen sich verbunden, wenn sie sich wohl und sicher fühlen. Wenn sie das Gefühl haben, gesehen und ernst genommen zu werden. Wenn sie Vertrauen haben und ihre Meinung sagen können. Wenn sie die Möglichkeit haben, sich entfalten zu können. Wenn sie eine Aufgabe haben, die ihnen Spaß macht, bei der sie im Flow sind. Wenn sie bei Freunden und Bekannten erzählen, wie toll es ist, bei Ihnen zu arbeiten.

Sie merken: Es ist geht um ein gutes Gefühl der Mitarbeitenden bei ihrer Arbeit.

Viele Facetten tragen dazu bei, dass ich ein „gutes Gefühl“ habe. Mitarbeiterverbindung ist also keine (einfache) Gleichung, à la Gutes Gehalt + ab und zu Lob = Mitarbeiterverbindung.

Es ist mehr eine komplizierte Formel, die von jeder Person ein wenig anders gewichtet scheint. Ziemlich sicher würden Sie ganz verschiedene Antworten bekommen, wenn Sie Ihre Mitarbeitenden fragen würden, was sie bspw. unter einem „guten Gehalt“ verstehen.

Nähern wir uns doch einmal dieser komplizierten Formel für Mitarbeiterverbindung. Was könnten die einzelnen Teile der Gleichung sein?

Ersten Aufschluss können die TOP Abwanderungs-/Kündigungsgründe geben:

  1. zu geringes Einkommen
  2. ungenügende Entwicklungsmöglichkeiten
  3. das Gefühl, bei der Arbeit nicht respektiert zu werden
  4. ungenügende Work-Life-Balance
  5. psychische Belastung am Arbeitsplatz

Kennen Sie die Gründe derer, die Ihr Unternehmen in der vergangenen Zeit verlassen haben? Mit Sicherheit haben sie gute Gründe gehabt, sich aus der Komfortzone, aus dem sicheren Umfeld zu begeben und etwas Neues zu wagen. Die Antworten können Ihnen wertvolle Hinweise geben, was bei Ihnen fehlt oder verändert werden sollte.

 

Insgesamt wird die Verbindung hergestellt durch ein Maßnahmenbündel, bestehend aus einzelnen Aktivitäten, die in der Summe eine Kultur von Sicherheit, Vertrauen, Wertschätzung, Mitgestaltung, Selbstverwirklichung und gutem Team schafft.

Ich habe einmal begonnen, zu sammeln, was zur Mitarbeiterverbindung beitragen kann. Diese Sammlung soll verstanden werden als Ideenpool. Nicht eine einzelne Maßnahme schafft Verbindung, sondern eine Kombination aus mehreren. Welchen? Das ist ganz individuell und das wissen Sie nicht. Es lohnt sich also, sich Gedanken zu machen und die für Ihren Betrieb „richtige“ Mischung von Maßnahmen zu ergreifen:

  • Vertragsgestaltung. Sind Ihre Verträge unbefristet? Dies signalisiert Sicherheit und die Zusage an Ihre Mitarbeitenden: Wir sind an einer langfristigen Reise mit dir interessiert.

 

  • Finanzielle Anreize und Vergünstigungen. Dazu gehört in erster Linie ein „gerechter“ Lohn, eine verlässliche Lohnzahlung und die Vergütung der tatsächlichen Arbeitszeit. Letzteres bedingt auch ein Überstundenkonto. Darüber hinaus kann es weitere Anreize und Vergünstigungen geben, bspw. VWL, Corporate Benefits, Zuschuss zur Altersvorsorge, Übernahme von Kita-Gebühren, Tankgutschein, Sonderzahlungen zu Weihnachten, Gutscheine, Fitness-Studio, Rückenschule im Haus, …

 

  • Arbeitsmittel, die Spaß machen. Eine stumpfe Säge, ein fehlendes Headset für Vieltelefonierer:innen, ein analoger Prozess. Unzureichende Arbeitsmittel sind wie Steinchen im Schuh, die immer drücken. Welche Person braucht welche Ausstattung? Was können Sie verbessern, zusätzlich anschaffen, um die Arbeit zu erleichtern? Vielleicht braucht es auch einen Massagesessel oder einen Ruheraum?

 

  • Information. Halten Sie Ihre Belegschaft auf dem Laufenden, wie es Ihrer Firma geht, welche Projekte anstehen. Mit welchem Kanal erreichen Sie die Mitarbeitenden? In welchem Rhythmus informieren Sie, welche Inhalte werden geteilt? Information schafft Vertrauen in die Führung und ins Unternehmen.

 

  • Kommunikation. Investieren Sie Zeit in ungestörte, vorbereitete Gespräche. Erfahren Sie im Austausch mit den einzelnen Mitarbeiter:innen, was sie bewegt, was gut läuft, woran es fehlt, welche Unterstützung sie von Ihnen brauchen. Fragen Sie, hören Sie zu, nehmen Sie ernst. Arbeiten Sie mit den Antworten weiter.

 

  • Anerkennung. Wie erfahren Ihre Mitarbeitenden ein Lob? Welche Anerkennungs-Mechanismen haben Sie? Anerkennung kann viele Formen haben. Ein einfaches, mündliches Lob. Investierte Zeit in ein ausführliches Personalgespräch. Ein Geschenk. Ein finanzieller Anreiz. Eine Würdigung im Rahmen einer Betriebsfeier. Eine handgeschriebene Karte zu Weihnachten.

 

  • Investition ins Team. Welche Teamrituale haben Sie? Welche Besprechungen, Ausflüge, Aktivitäten bieten Sie an? Wie reagieren Sie auf kritische Situationen im Team, gibt es gar Konflikte? Wie ist der Teamzusammenhalt? Wie schaffen Sie ein Wir-Gefühl?

 

  • Einbindung in Entscheidungen und Ideenfindung. Wer entscheidet bei Ihnen über Investitionen? Darüber, wer eingestellt oder welche Idee wie umgesetzt wird? Beteiligen Sie Ihre Mitarbeitenden an den Entscheidungen. Eine Entscheidung sollte immer auch von denjenigen Personen mit getroffen werden, die das meiste Wissen dazu haben und später am Meisten von den Auswirkungen betroffen sind.

 

  • Einsatz nach Stärken und Vorlieben. Tun alle Ihre Mitarbeitenden das, was Ihnen am meisten liegt und Spaß macht? Haben sie das Gefühl, im Flow zu sein? Wenn Menschen das tun, was sie begeistert, dann ist die Motivation und Leistungsbereitschaft hoch, das Ergebnis top und aufkommende Probleme werden zügiger gelöst. Bringen Sie möglichst viele Ihrer Mitarbeitenden in den Flow. Finden Sie im Gespräch und durch Beobachtung heraus, was diese am Besten können und ermöglichen Sie einen Arbeitsplatz gemäß ihren Stärken.

 

  • Vertrauensbildung und Zutrauen. Wie selbstbestimmt können die Einzelnen bei Ihnen arbeiten? Welchen Verantwortungsraum haben sie? Wie erfolgt die Entscheidungsfindung, wann braucht es das Team, die Führungskraft dazu? Wer sich als selbstständig handelnde Person erlebt, ist tendenziell innovativer, findet Lösungen selbst und verbessert von sich aus.

 

  • Umgang mit Fehlern. Wie stehen Sie zu Fehlern? Wie reagieren Sie, wenn etwas schief gelaufen ist? Etablieren Sie eine Fehlerkultur, die in der Panne eine Chance sieht, Prozesse und Produkte zu verbessern. Suchen Sie nicht nach den Schuldigen. Sorgen Sie lieber dafür, dass der Fehler kein zweites Mal passiert.

 

  • Weiterbildungsmöglichkeiten und Aufstiegschancen. Ist dies Bestandteil des Arbeitsvertrages? Gibt es eine schriftliche Entwicklungsplanung, die regelmäßig besprochen wird? Kennen Sie die Zukunftsideen Ihrer Mitarbeitenden, was sie gerne lernen möchten, wohin sie sich entwickeln wollen? Bieten Sie Möglichkeiten, die Fachkompetenzen bei Seminaren auszubauen und sich auch persönlich zu entwickeln in Workshops, im Rahmen eines Projektes, eines Wettbewerbs, bei einer Hospitanz in einem angrenzenden Bereich oder einem anderen Betrieb.

 

  • Durch dick und dünn. Die Familienphase und die Pflege von Angehörigen stellt die Mitarbeitenden vor große Herausforderungen. Aber auch Krankheit oder Alter sind eine Lebensphase, die besondere Beachtung braucht. Wie kann die Arbeit und die Aufgabe im Privaten miteinander in Einklang gebracht werden? Ermöglichen Sie die Anpassung der Arbeitszeit, schaffen Sie Flexibilität wo möglich und gebraucht. Manchmal reichen ein paar freie Tage, manchmal braucht es eine längere Auszeit oder die Reduktion der Arbeitszeit über einen gewissen Zeitraum. Im Gespräch mit Ihrer/m Mitarbeiter:in erfahren Sie, ob und welche Anpassung es braucht.

 

  • Vergessen Sie sich selbst und Ihre Führungskräfte nicht. Wie bilden Sie sich weiter? Wie kommen Sie auf neue Ideen? Woher erhalten Sie einen frischen Blick von außen, einen neuen Impuls? Gönnen auch Sie sich eine Weiterbildung oder einen Tag als Azubi in Ihrem eigenen Unternehmen. Perspektivwechsel sind Gold wert!

 

Sie haben nun eine ganze Reihe von Maßnahmen zur Mitarbeiterverbindung gelesen. Und sicher beim Lesen gleich bewertet, was Sie bereits tun, was für Sie nicht in Frage kommt und an welcher Stelle es vielleicht noch Potential gibt. Haben Sie Ihre Maßnahmen zusammen, geht es um die Kommunikation.

Wissen Ihre Mitarbeitenden davon? Sie selbst wissen am Besten und umfassend, was der Betrieb seinen Mitarbeitenden alles bietet. Überlegen Sie, wie Sie die Vorteile Ihres eigenen Unternehmens an die Mitarbeiter:innen kommunizieren. Oder fragen Sie, welche Aktivitäten bekannt sind und welche nicht.

Informieren Sie Interessierte über Ihre Aktivitäten. Geben Sie bspw. über Ihre Webseite oder auf Ihrem Social Media Profil Einblicke in Ihre Unternehmenskultur. Finden Sie anschauliche Beispiele und beschreiben Sie konkret, wie bspw. ein Personalgespräch bei Ihnen abläuft und wieso Sie diese Zeit überhaupt investieren. Informieren Sie über Teamtage und wie bei Ihnen mit Fehlern umgegangen wird. Machen Sie sich greifbar und interessant. Lassen Sie hinter die Kulissen einer schön gestalteten Webseite blicken und geben Sie etwas von sich preis.

Kommunizieren Sie Gehaltsangaben in ihren Stellenangeboten. Im Durchschnitt führt diese Angabe zu 56 % mehr Bewerbungen, so eine Studie aus dem vergangenen Jahr. Das ist nicht verwunderlich, denn ich weiß direkt, welche Vergütung mich erwartet. Ich kann noch vor der Entscheidung, mich zu bewerben, bewerten, ob diese Vergütung für mich so passt. In Ihrem Stellengesuch können Sie auch die für Sie wichtigsten Aktivitäten zur Mitarbeiterverbindung platzieren.

 

Genug der Ideen. Haben Sie beim Lesen etwas bemerkt? Die obige Auflistung entspricht unserem 12 Kriterien Qualitätsstandard. Wir sind uns sicher: In diesen 12 Punkten steckt eine ganze Menge an Maßnahmen, die zur Mitarbeiterverbindung beitragen! Sicher tun sie bereits viel und Sie wissen davon. Machen Sie dieses Wissen auch Ihren Mitarbeitenden zugänglich und kommunizieren Sie es an Interessierte.

 

Sollten Sie beim Lesen festgestellt haben, dass Sie alle Punkte bereits erfüllen und dennoch das Gefühl haben, dass noch etwas fehlt, sprechen Sie mich gerne an. Gemeinsam finden wir heraus, was Sie noch tun können, um die Verbundenheit der Mitarbeitenden zu Ihrem Unternehmen zu stärken.

Susanne Preuß Geschäftsführende Gesellschafterin bei der Bühler und Preuß GmbH