“Anpassung des Jobs an Lebensphasen” – Worum geht es im Kriterium #11 der Initiative für Gute Arbeit
Veröffentlicht am 10. Dezember 2024
Ein Praxisbeispiel gibt es von Baum und Garten aus Nürtingen, jüngst erschienen in der Ausgabe 2-2024 von TALENTE
„Dein Leben bestimmt, wie du bei uns arbeitest.“ Mit diesem Versprechen wirbt Bühler Baum und Garten um begehrte Fachkräfte im Garten- und Landschaftsbau. Wer bei dem Nürtinger Handwerksbetrieb unterschreibt, kann seine Arbeitszeiten und Jobinhalte individuell aushandeln und jederzeit anpassen. Firmenchef Albrecht Bühler nennt das Jobdesign und sieht darin eine generelle Antwort auf den Fachkräftemangel. Im männerdominierten Garten- und Landschaftsbau schafft er damit auch für Frauen interessante Karrierechancen.
Der Unternehmer hat ursprünglich Sozialpädagogik studiert und beschäftigt sich seit Langem mit Kriterien für gute Arbeit. Er will einen Rahmen schaffen, in dem sich Menschen entwickeln können. Dass das für ihn keine Floskel ist, belegen über 20 verschiedene Arbeitszeitmodelle, die er seinen 55 Mitarbeitenden anbietet. Zur Arbeitskultur gehören Jobsharing, Führung in Teilzeit und Homeoffice-Optionen. Auch Quer- und Wiedereinsteiger*innen bekommen eine Chance, wenn sie überzeugen und ins Team passen.
Individuelles Jobdesign fördert die Chancen von Frauen.
Über die Hälfte der Belegschaft arbeitet in Teilzeit. Zusätzlich sind individuelle Absprachen mit den Vorgesetzten möglich, sofern diese realisierbar sind. Einzige Einschränkung: Im Außendienst werden nur ganze Tage geplant. Diese Flexibilität bedeute natürlich Aufwand, sagt Albrecht Bühler. Das Unternehmen hat daher Prozesse digitalisiert und spezielle Software eingeführt, um den Überblick zu behalten und mobiles Arbeiten zu ermöglichen. Für den Firmenchef ein klares Signal: „Wir begleiten unsere Beschäftigten durch alle Lebensphasen.“ Er sieht darin einen Grund, dass mehr Frauen im Unternehmen arbeiten als im Branchenschnitt und 32 Prozent der Führungskräfte weiblich sind.
Ein Beispiel dafür ist Melina Handte, die unter anderem für die Ausbildung der Lehrlinge verantwortlich ist. Ihre Führungsaufgaben organisiert die Mutter von zwei Kindern an zwei ganzen und zwei halben Tagen in der Woche. Beim Familienmanagement wird sie von ihrem Partner unterstützt, der ebenfalls im Unternehmen arbeitet und seine Arbeit im Rahmen einer Vier-Tage-Woche erledigt. Er ist einer von 13 Vätern mit kleinen Kindern im Betrieb. „Durch unser Jobdesign ermöglichen wir es auch den Männern, Verantwortung in der Familienarbeit zu übernehmen“, betont Albrecht Bühler. Für ihn sind Männer- und Frauenförderung zwei Seiten derselben Medaille.
„Wir denken langfristig und bieten Spielraum für private Pläne“
Generell nimmt der Unternehmer wahr, dass sich Frauen und Männer gleichermaßen flexible Arbeitsmodelle wünschen. Das gilt zum Beispiel auch für die Baumpflegerin Nicole Wetzel, die im Oktober Mutter geworden ist. Zu ihrem Arbeitsalltag gehörte es, in Seilklettertechnik auf bis zu 30 Meter hohe Bäume zu steigen. Seit ihrer Schwangerschaft arbeitet sie in der visuellen Baumkontrolle, die sie individuell planen und zu flexiblen Zeiten erledigen kann. Auf die besonderen Anforderungen und Lebenssituationen von Frauen einzugehen, ist für Albrecht Bühler selbstverständlich. Er ist davon überzeugt, dass die weibliche Perspektive die Arbeit bereichert. In Vorstellungsgesprächen betont er den Wunsch nach einer langfristigen Zusammenarbeit und weist Bewerberinnen darauf hin, dass bei Bedarf auch Familien- und andere Lebenspläne ihren Platz finden.
Quer- und Wiedereinsteiger*innen erwünscht
Zu seiner Philosophie gehört es, Menschen mit längeren Auszeiten oder anderen Berufen eine Chance zu geben. Svenja Podehl ist nach über 20 Jahren Familienzeit wieder ins Berufsleben eingestiegen. Sie begann mit einem Minijob in der Telefonzentrale. Heute arbeitet sie zu 70 Prozent und leitet gemeinsam mit einer Kollegin die kaufmännische Verwaltung. „Durch gezielte Weiterbildungen und die Unterstützung der Kolleg*innen konnte ich mich ohne Druck in die Branche einarbeiten und immer mehr Verantwortung übernehmen“, erzählt sie. Auch ein Koch und ein Metallbau-Spezialist haben im Unternehmen erfolgreich umgesattelt. Albrecht Bühler schätzt die Erfahrung und Motivation solcher Quereinsteigenden – schließlich ist er selbst einer von ihnen. Ob Mann oder Frau ist für ihn nachrangig. Entscheidend ist, dass die Persönlichkeit überzeugt und die Menschen ins Team passen. Bei Bühler Baum und Garten ist es Herzenssache, für alle Beschäftigten gleichermaßen gute Arbeitsbedingungen zu schaffen. Es gibt allerdings auch gute wirtschaftliche Gründe für diese Flexibilität: Im Gegensatz zu vielen Konkurrenten hat das Unternehmen keine Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen.
Wer mehr zum Thema erfahren möchte, kann sich hier einbuchen:
Talente-Forum „Neue Wege zur Fachkräftesicherung: Frauen im Fokus“ am 28. Januar 2024, ab 9 Uhr ein.
Aktuelle Informationen zum Programm und den Link zur Anmeldung finden Sie unter https://pretix.eu/wrs/talenteforum/.
Wie wird die Anpassung des Jobs an Lebensphasen bei Ihnen im Betrieb gemeistert?